Der deutsche Animationsfilm meldet sich zurück

26 Mrz

Animationsfilme sind ein fester Bestandteil des täglichen Kinoangebots. Gerade zu Ostern und Weihnachten nimmt es wahrnehmbar zu. Dominiert wird das Angebot aus den USA. Europäische Ware ist kaum vertreten (dass gerade zwei europäische Produktionen laufen, ist nicht normal). Heimische fast ausschließlich im Kinderbereich.

Filme für ein erwachsenes Publikum sind in Deutschland so gut wie unbekannt. Dass der Markt für europäische Animationsfilme ein echter Wachstumsmarkt mit einem vielfältigen, hochwertigen und anspruchsvollen Angebot ist, der sich nicht nur auf Kinderfilme reduziert, zeigt der Finanzierungsmarkt Cartoon Movie, der jeden März im französischen Lyon seine Tore öffnet.

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Shaun das Schaf (c) Aardman/Studiocanal [Vereintes Königreich]

Besonders eindrucksstark waren in diesem Jahr die fertig gestellten Produktionen. Etwa „Shaun das Schaf„, das ganz ohne Dialoge, allein über seine – teils sehr erwachsenen – visuellen Gags über Ostern die ganze Familie unterhalten wird.

Ein echter Brüller, der durch viel Lachen körperliche Schmerzen verursachte, ist die 3D-Verfilmung der „Clever und Smart„-Comics. Der Film, den ein Teilnehmer, als „leider geil“ bezeichnete, wäre eine gute Rampe, um die gagreichen Abenteuer der unangepassten, überheblichen Agenten in Deutschland neu zu starten. Z.Z. werden die einst sehr beliebten Comics nicht aufgelegt.

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Clever und Smart (c) Zeta Cinema [Spanien]

Auch „Song of the Sea“ des Iren Tomm Moore, der sowohl für diesen Film, als auch seinen Erstling „The Secret of Kells“ für den Academy Award for Best Animated Feature, also den Oscar, nominiert war, begeisterte mit seiner poetischen Erzählform und seinen an gälische Traditionen angelehnte klassischen Zeichnungen.

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Song of the Sea (c) Cartoon Saloon [Irland]

Die größte Überraschung jedoch lieferte die Hamburger Animationsfirmen Ulysses Films und Studio Rakete mit „Ooops! Die Arche ist weg …„, den Senator am 16. Juli in die Kinos bringt. Der Film hat nicht nur eine State-of-the-Art-Animation, die gerade bei der Darstellung der Haare der Nestrians und dem seidig-glänzenden Fell der Grymps beweist, dass sie über jede Kritik erhaben ist, er ist vor allem flott und dynamisch erzählt.

Es gibt mitreißende Kamerafahrten, packende Wendungen und ein überraschendes Ende. Die Dialoge sind witzig und emotional und, ja, irgendwie macht sich während des Films das Verlangen breit gleich im Anschluss die Plüschfiguren der vier Hauptakteure im Merchandisingshop zu kaufen, so sehr schließt man sie ins Herz.

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Ooops! Die Arche ist weg … (c) Ulysses Films/Studio Rakete [Deutschland]

In den vergangenen Jahren hatten deutsche Animationsfilme regelmäßig enttäuscht. Auch waren deutsche Projekte – insbesondere die selbst entwickelten Stoffe – bei Cartoon Movie so stark unterrepräsentiert, dass man sich immer wieder gefragt hat, ob die deutsche Animationsbranche jemals auf dem Feld des Family Entertainments mitspielen kann.

„Ooops! Die Arche ist weg …“ hat das Zeug dazu, das Selbstvertrauen der zuletzt arg strapazierten deutschen Animationsbranche zurück zu gewinnen und das Ruder auch auf Seiten des Publikums herum zu reißen. Der Film hat alle Elemente für einen erfolgreichen Familienfilm, der beweisen kann, dass in Deutschland international konkurrenzfähige Animations-Familienunterhaltung hergestellt werden kann. Wie groß das Potential des Films ist, zeigt auch das Vertrauen des britischen Verleihs, der den Film mit 300 Kopien im Vereinten Königreich starten wird.

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My Fairy Troublemaker and Me (c) Ulysses Films [Deutschland]

Im vergangenen Jahr gab es vier Projekte aus Deutschland bzw. mit deutscher Beteiligung, 2013 waren es acht, 2012 fünf und in diesem Jahr neun. Es ist jedoch nicht diese Anzahl, die Hoffnung gibt, dass „Ooops!“ kein Einzelfall bleibt, sondern die vorgestellten „My Fairy Troublemaker and Me“, ebenfalls von Ulysses Films, und die animierte Kinoversion von „Wickie und die starken Männer“ von Studio 100.

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Wickie und die starken Männer (c) Studio 100 [Deutschland/Frankreich]

Die unangefochtene Nummer 1 beim Animationsfilm ist nach wie vor Frankreich. 60 Filme in den verschiedensten Entwicklungsphasen zwischen Konzept bis zum fertigen Produkt werden jedes Jahr bei Cartoon Movie vorgestellt. Im vergangenen Jahr kamen 22 Projekte aus Frankreich, heuer waren es 26.

Deutschland nahm zumindest den zweiten Platz ein. Dann folgten Großbritannien mit vier sowie Dänemark und Norwegen mit je drei Projekten. Die nächsten drei Länder hatten je zwei Projekte im Gepäck und die anderen 14 Länder, die Projekte alleine oder als Koproduzenten vorstellten, waren mit einem Projekt vertreten.

Es kamen 750 Branchenvertreter nach Lyon, das entspricht dem im Vorjahr aufgestellten Rekord. Eine ebenfalls gerne genannte Zahl sind die Gesamt-Herstellungskosten aller Filme, die sich 2014 auf 357 Mio. Euro addierten und in diesem Jahr auf 380,7 Mio. Euro anstiegen. Das ist ein Hinweis darauf, dass die Produzenten Vertrauen darin haben, dass hochwertig produzierte Filme ihr Geld auch wieder einspielen.

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Die Schwalben von Kabul (c) Les Armateurs & Mysteo [Frankreich]

Wie es wirklich um den europäischen Animationsfilm bestellt ist, wird eine Studie zeigen, die von der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle Ende des Jahres vorgestellt wird. Dass sie prinzipiell gut dasteht, lässt sich bei Cartoon Movie ablesen. Für dieses Jahr stieg die Zahl der eingereichten Projekte um 37 Prozent auf 140 Filme, berichtet Cartoon Movie Director Annick Maes und erzählt weiter:

„Immer mehr Realfilm- und Dokumentations-Regisseure reichen Animationsprojekte ein. Dadurch wird sich auch die Inszenierung und Dramaturgie von Animationsfilm verändern.“

Schon in der Vergangenheit haben namhafte Regisseure das Lager gewechselt. So hat Ari Folman („Waltz with Bashir“, „The Congress“) schon länger erkannt, dass sich manche Geschichten besser als Animation erzählen lassen, aber den Durchbruch hat wohl der ehemalige Comic-Zeichner und Autorenfilmer Patrice Leconte mit „The Suicide Shop“ erreicht, der von den neuen Möglichkeiten so begeistert war, dass er daraufhin mit „Music“ sofort das nächste Animationsprojekt in Angriff nahm.

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Cafard (c) Tondo [Belgien]

Nach wie vor ein ziemliches Ärgernis ist das Ansehen von Animation in Deutschland. Solange es nicht US-Familienunterhaltung oder klar auf Kinder ausgerichtet ist, hat es hierzulande kaum eine Chance. So wird der belgische Film „Cafard“ – die Geschichte eines flämischen Ringers, der im 1. Weltkrieg an die Ostfront muss – hier wohl genauso wenig zu sehen sein wie „Die Schwalben von Kabul“, die Verfilmung des Romans von Yasmina Khadra, der in der Zeit nach der Machtübernahme der Taliban spielt.

Beide Filme sind nicht nur anspruchsvolle Unterhaltung für (junge) Erwachsene, sondern auch noch künstlerisch überwältigend. Beide sind dynamisch und emotional packend. Ebenfalls auf den Merkzettel sollte „Cinderella the Cat“, die das ursprünglich aus Neapel stammende Märchen in die heutige Zeit verlegt und aus ihr eine Mafia- und Vendetta-Geschichte macht.

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Cinderella The Cat (c) Mad Entertainment [Italien]

Gemein und definitiv politisch unkorrekt ist die Weihnachtshassersatire „Noël au Balcon“, die einen totalitären, dem 3. Reich nachempfundenen, Staat zeichnet, in dem jeden Tag Weihnachten mit Weihnachtsfeiern und Geschenken angeordnet ist.

2014 wandten sich 30 Prozent der vorgestellten Filme an ein erwachsenes Publikum. Bei der diesjährigen 17. Ausgabe waren es 25 Prozent. Das bedeutet eine Konsolidierung auf hohem Niveau, denn 2013 waren es neun und im Jahr zuvor 10 Filme. Die Macher von „Cafard“ sind von ihrem Film – zu Recht (Ausschnitte wurden in Lyon präsentiert) – so überzeugt, dass sie ihn für das Filmfestival in Cannes einreichen werden.

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Noël au Balcon (c) Diabolo Films & Belvision [Frankreich/Belgien]

Zum Schluss noch ein, zwei Trends: viele Geschichten spielen in Ländern in Afrika, dem Mittleren oder Nahen Osten, Südamerika oder Asien und möchten etwas über sie und die Schicksale der Menschen dort erzählen und: Stop-Motion-Animation ist deutlich im Kommen, wie in „The Army of Rabbits“, der Kindern nicht nur ein spannendes Abenteuer bietet, sondern auch Stärke und Selbstbewusstsein vermitteln möchte.

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The Army of Rabbits (c) Foliascope, Nadasdy Film & PANIQUE! [Frankreich/Schweiz/Belgien]

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