Aufbruchstimmung in der arabischen Filmindustrie

29 Jan
Die Dubai Film and TV Commission stellte sich bei einer Pressekonferenz im Rahmen des Festival dem Fachpublikum vor.
Die Dubai Film and TV Commission stellte sich bei einer Pressekonferenz im Rahmen des Festival dem Fachpublikum vor.

Das Dubai International Film Festival (DIFF) das im vergangenen Dezember zum 9. Mal stattfand, möchte kein Festival sein wie jedes Andere. Weltpremieren und das Kino der Welt sind das Salz in der Suppe, aber im Vordergrund steht das arabische Kino. Das DIFF will den arabischen Film fördern indem es eine Industrieplattform schafft auf der sich arabische Filmemacher austauschen und vernetzen können. Das zu den Vereinigten Arabischen Emiraten gehörende Emirat Dubai ist der einzige Golfstaat, der die Filmproduktion aktiv fördert.

Der Filmmarkt und die angegliederten Industrieprogramme wie der Koproduktionsmarkt, das Postproduktionsprogramm Enjaaz, Diskussionsrunden und Panels oder die Ausbildungsinitiative Exchange haben das Festival in den vergangenen fünf Jahren zur größten Industrieplattform der Region gemacht. Die Zahl der im Filmmarkt angebotenen Filme stieg zum Vorjahr um 60 Prozent auf 330 während die Zahl der Industrieteilnehmer von 1500 auf über 1700 stieg. Besonders gut angenommen wird der Koproduktionsmarkt Dubai Film Connection (DFC), der nur arabischen Filmemachern offen steht. „Die Qualität der Einreichungen nimmt stetig zu“, sagt DFC-Leiterin Jane Williams. „Als wir angefangen haben, haben sich viele Einzelkämpfer beworben, aber jetzt kommen auch Teams aus Autoren, Regisseuren und Produzenten zu uns.“ Nehmen die Möglichkeiten der Finanzierung einerseits zu, besteht andererseits jedoch weiterhin das Problem des Vertriebs, da es keine länderübergreifenden Verleiher gibt und sich die Verleiher untereinander oft nicht kennen. Daher wurde auf dem vergangenen DIFF, unter Führung des Euromed-Programms der EU, die Verleihinitiative MEDIS gegründet, die 20 Verleiher aus dem Mittleren Osten und Nordafrika umfasst, und den Vertrieb arabischer Filme im arabischen Raum fördern soll.
Viel Hoffnung wird zudem in den Vertrieb via Video on Demand gesetzt, hier insbesondere in den geplanten Start von iTunes in der Golfregion in diesem Jahr. „Es gibt einen großen Bedarf nach VoD-Angeboten“, bestätigte Fares Akkad, Digital Business Development Manager beim in Dubai beheimateten Senderverbund MBC, beim DIFF-Panel „Distribution in the Arab World: Overcoming the Obstacles“ und Gianluca Chakra, Managing Director beim Home Entertainment-Anbieter Front Row Entertainment sagte: „Für kleine arabische Filme ist es schwierig Aufmerksamkeit im Kino zu erhalten. Allein in den Emiraten starten acht bis elf Filme die Woche und es sind die Blockbuster, die das Filmangebot treiben. Angebote wie VoD, YouTube oder iTunes sind reelle Chancen für solche Filme, wenn es darum geht Zuschauer zu bekommen.“ Neben dem Festival und seinen Initiativen wird die Filmindustrie der Golfstaaten, die sich im Gulf Cooperation Council (GCC) zusammen geschlossen haben, durch das im April zum 6. Mal stattfindende Gulf Film Festival, das ausschließlich arabischen Filmemachern offen steht und durch Maßnahmen des Emirats, um Filmproduktionen nach Dubai zu bekommen, unterstützt. „Beim Gulf Festival haben wir einen Drehbuchworkshop und ein Mentorenprogramm für den Nachwuchs“, erklärt Shivani Pandya, geschäftsführende Leiterin des DIFF. „Für 2012 haben wir dort 124 Stoffeinreichungen erhalten, während es in den ersten Jahren weniger als 20 waren. Wir stehen am Anfang, aber es werden Filme gemacht.“ Dem GCC gehören an: die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain, Kuwait, Oman, Katar und Saudi-Arabien.

Dubai Film and TV Commission (DFTC)

Um internationale Produktionen nach Dubai zu locken und darüber auch die Erfahrungen der lokalen Filmgewerke zu verbessern, hat Dubai die Dubai Film and TV Commission (DFTC) gegründet. Sie hilft nicht nur dabei Drehorte zu finden und Drehgenehmigungen zu erhalten, sondern auch Kooperationen mit Hotels und lokalen Dienstleistern einzuleiten, denn da in Dubai Steuern weitestgehend unbekannt sind, gibt es dort kein Tax Incentive-System. Allerdings, so kündigte Jamal Al Sharif im Rahmen des Festivals an, wird darüber nachgedacht wie man in Zukunft eventuell direkte finanzielle Anreize anbieten kann. Die Commission wurde im Mai 2012 gegründet und basiert auf dem Genehmigungsbüro, das im Zuge zu den Dreharbeiten von „Mission:Impossible – Ghost Protocol“ 2010 entstanden ist. Mit Hilfe des DFTC-Vorläufers war es MI4 möglich sein Budget um 30 bis 40 Prozent zu drücken. 43 Prozent des Films, einschließlich in Indien spielender Szenen, wurden in Dubai gedreht. In dem Emirat wurden 2012 42 Millionen US-Dollar von dort stattfindenden Filmproduktionen ausgegeben. Für 2013 strebt die DFTC 55 Millionen Dollar an. Dabei spielen nicht nur Produktionen aus den USA (zuletzt: „The Bourne Legacy“) eine Rolle, sondern vor allem aus Indien und wachsend aus China. Neben dem DFTC gibt es seit 2006 den Atelierkomplex Dubai Studio City, der mit dem US-Anbieter von Virtual Backlots, Stargate, zusammenarbeitet. Mit der Virtual Backlot-Technologie wird in Dubai aktuell eine in Sri Lanka spielende TV-Serie gedreht. Tim Smythe, Inhaber des in Dubai ansässigen Service-Produktionsdienstleisters Filmworks sagt: „Über die letzten Jahre hatten wir im Filmbereich eine Wachstumsrate von zehn bis 15 Prozent. Das hat uns geholfen eigene Crews auszubilden, aber dennoch haben wir hier nicht genügend Leute, so dass bei Großprojekten immer noch Crews eingeflogen werden müssen.“ Ein Ziel der Filmcommission ist es, dies zu ändern, um Großprojekte selbst mit Personal ausstatten zu können. Einerseits sorgt das für eigene Arbeitsplätze, andererseits spart es Reisekosten bei der Produktion.

Treibende Kraft sind die Frauen

Eine besondere Rolle im arabischen Kino spielen die Frauen. Vor allem sie treiben es mit ihrem Engagement und ihren Themen voran. Der am meisten beachtete Film des Festivals war „Wadjda“ von Haifaa Al Mansour über ein Mädchen, das sich ein Fahrrad wünscht obwohl Mädchen in Saudi-Arabien nicht Radfahren dürfen. Die Regisseurin aus Saudi-Arabien gewann die Berliner Produktionsfirma Razor Film, die schon „Paradise Now“ gemacht hatten, als Partner. Razor entschloss sich nicht nur den Film zu produzieren, sondern auch in Saudi-Arabien selber zu drehen. Zwar lief „Wadjda“ bereits beim Festival in Venedig, fand aber erst in Dubai große Resonanz. Grund dürfte sein, dass nur im Kontext der arabischen Welt überhaupt klar wird, was dieser Film darstellt. In Saudi-Arabien gibt es keine Kinos, das Drehen auf offener Straße wird als Provokation wahrgenommen, das zu gewalttätigen Reaktion führen kann und dass der Film von einer Frau aus Saudi-Arabien gemacht wurde, ist durchaus als Sensation zu bewerten. „Wadjda“ wurde in Dubai als Bester Film ausgezeichnet und Waad Mohammed, die zehnjährige Hauptdarstellerin, ebenfalls eine Saudi, als beste Darstellerin. In Deutschland kommt der Film am 15. August in die Kinos.

Kooperation mit Rotana

Koproduzent von „Wadjda“ ist der Kinoarm von Rotana, einem vom saudischen Prinzen Alwaleed Bin Talal gegründeten pan-arabischen Medienkonglomerat. Bevor Rotana an Bord kam, hatte Razor Film andere potentielle Partner, die aber alle absprangen als es ernst wurde, weil sie befürchteten, der Film würde nicht fertig werden, berichtet Produzent Roman Paul. Aber auch die Kooperation mit Rotana kam nur zustande weil sich Hala Sarhan, die damalige Produktionschefin von Rotana Cinema, für die Kooperation stark gemacht hatte.
Weitere Beispiele für von Frauen geprägten Filmen sind „When Monaliza Smiled“, eine in Jordanien spielende Liebesgeschichte zwischen Monaliza, die zurück gezogen mit ihrer Schwester lebt und einem ägyptischen Gastarbeiter, dessen Werben sie sich nur langsam öffnet, die von Nadia Eliewat und Nadine Toukan produziert wurde. Der libanesische Film „Blind Intersections“ wurde von Lara Saba inszeniert und von Nibal Arakji produziert, die auch das Drehbuch schrieb. Doch auch außerhalb der arabischen Welt sind Frauen die treibende Kraft, geht es um arabische Themen. Von Rola Nashef aus den USA kommt „Detroit Unleaded“, der in seiner Machart an Kevin Smith „Clerks“ erinnert. Und die Britin Sally El Hosaini hat sich des Lebens arabischer, männlicher Jugendlicher in London in „My Brother The Devil“ angenommen.
Wie schwer es für arabische Frauen ist in der Filmindustrie Fuß zu fassen, beschrieb die aus den Emiraten stammde Produzentin und Regisseurin Nayla Al Khaja beim Panel „Women Filmmakers in the Gulf – A „New“ Chapter!“: „Die Männer dürfen alles, auch im Ausland studieren. Meine Eltern haben mir das Filmstudium nur erlaubt, wenn ich verheiratet sein würde oder sie tot seien.“ Als sie einen Studienplatz erhielt, aber noch immer keinen Mann hatte, fand sich ein Freund, der eine Scheinehe mit ihr einging, die heute noch besteht. Für den Mann ist das auch kein Problem, da er ohne Scheidung eine weitere Familie gründen konnte. „Heute ist meine Familie stolz auf mich“, sagt sie. „Aber das hat so zehn bis zwölf Jahre gedauert, bis sie ihre Ablehnung überwinden konnte.“ Auch Haifaa Al Mansour konnte nur durch Fügung Filme machen. Einerseits hat ihr Vater sie unterstützt, andererseits ist ihr Mann Diplomat, wodurch sie als mitreisende Ehefrau Saudi-Arabien problemlos verlassen konnte, um im Ausland zu studieren. Haifaa Al Mansour fordert angesichts der Schwierigkeiten, denen Filmemacherinnen ausgesetzt sind, staatliche Unterstützung. Jedoch weniger finanzieller, als moralischer Natur: „Der Staat muss über eine Quote Frauen unterstützen, um ihnen Selbstsicherheit zu geben“, sagt sie.

Neuer spannender Filmmarkt

Die Filmindustrie in der arabischen Welt ist im Aufbruch. Film ist ein starkes Mittel sich Gehör zu verschaffen – für die Anhänger der verschiedenen sozialen Bewegungen genauso wie für Frauen. Aber auch der klare Unterhaltungsaspekt des Kinos findet in der arabischen Welt immer mehr Unterstützer, auch deshalb, weil man den Importen aus den USA etwas entgegensetzen will. „Wir möchten gerne risikoreichere Stoffe machen“, sagt, Deputy Chief Executive Officer bei Rotana. „Dabei werden wir Grenzen austesten, aber nicht soweit gehen, dass ein Film keine Chance mehr hat.“ Dies bedeutet, dass Sex und politische Themen schwierig zu behandeln sind und alles, was als anti-muslimisch angesehen werden kann, gar nicht in Frage kommt. „Aber“, so Einstein weiter. „Es hat auch schon lange keinen guten Actionfilm mehr aus der Region gegeben.“ Es scheint, als ob sich am Golf nach Indien und China ein neuer spannender Filmmarkt entwickelt.

dieser Artikel erschien zum ersten Mal im Medien Bulletin 02/13

weiterführend gibt es ein Interview mit Abdulhamid Juma, dem Vorsitzenden des Internationalen Filmfestivals Dubai, hier.